Gewaltfreier Widerstand – Sicherheit neu denken!
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Gewaltfrei Widerstand leisten – Sicherheit neu denken!
Soll das Schwert weiter wüten? Weißt du nicht, daß ein bitteres Ende kommt? (2. Sam 2,26)
Inspiriert von diesem biblischen Vers beschäftigte sich die diesjährige Europäische Konferenz des friedenskirchlichen Netzwerkes „church and peace“ in Brüssel mit dem Thema "Widerstand gegen den Krieg - kollektive gewaltfreie Alternativen entwickeln". Konzepte und Erfahrungen, die diesen Ansatz unterstützen, wurden diskutiert:
Die Initiativen von Stop Fuelling War [1] zeigen in der Praxis, daß ein erster wesentlicher Schritt darin besteht, Waffenproduktion und Waffenhandel in Frage zu stellen und Abrüstung, auch von Atomwaffen, zu fordern. Stop Fuelling War ist deshalb regelmäßig auf der Eurosatory in Paris vertreten, einer der größten Waffenmessen der Welt. Dort appellieren sie an das Gewissen der Öffentlichkeit sowie der Waffenproduzent und –händler:innen.
Es geht aber auch darum, gewaltfreie Wege zur Sicherheit aufzuzeigen. Nonviolent Peaceforce [2] zeigt, wie zivile gewaltfreie Intervention in der Praxis funktioniert: Menschen schützen Menschen ohne Waffen und unparteiisch, in Teams, die zu 70 % aus der lokalen Bevölkerung und zu 30 % aus ausländischen Gäst:innen bestehen. Diese Gäst:innen nehmen grundsätzlich an keiner Handlung teil, die ihre Unparteilichkeit in Frage stellen könnte. Beispiele dafür gibt es im Südsudan und in Indonesien, wo Menschen Schutz vor Milizen und organisierter Kriminalität benötigen. Ein weiteres Team wird derzeit im Osten der Demokratischen Republik Kongo aufgebaut.
In den USA konnte die Polizei nach dem gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd die Unruhen nicht eindämmen. Daraufhin setzten die Gemeinden Menschen ein, die von Peace Force International in ziviler gewaltfreier Intervention ausgebildet worden waren. Diesen Teams gelang es nicht nur, die in Gewalt umschlagende Empörung zu stoppen, sondern auch, die Konflikte zu entschärfen und den Zusammenhalt der Gemeinschaft wiederherzustellen, ohne dabei die Forderung nach Gerechtigkeit aufzugeben.
Es sind die lokalen Gemeinschaften, die gewaltfreien Widerstand tragen, Machtverhältnisse verändern und sogar Win-Win-Lösungen erreichen können. "Community Building bedeutet, soziale Macht einzuüben", sagt die Refo–Moabit [3] in Berlin. Seit zwei Jahren ist sie Teil der Kampagne Soziale Verteidigung / Wehrhaft ohne Waffen [4]. Ziel ist es, Resilienz in Friedenszeiten zu stärken, um in Krisenzeiten eine Basis für Soziale Verteidigung zu schaffen.
Das Projekt Refo Moabit zeigt, wie Kirche Initiativen stärken und Räume zur Verfügung stellen kann, damit in der Gemeinde und im Stadtteil Beziehungen entstehen und Vertrauen wächst - die Basis für Friedensbildung und gewaltfreie Konflikttransformation.
Beispiele sozialer Verteidigung aus Kosovo/a und Litauen verdeutlichen das Dilemma, in das Aggressoren geraten, wenn Menschen nicht kooperieren und statt dessen auf soziale Verteidigung setzen. Diese delegitimiert Herrschaft durch gewaltfreie Methoden, verweigert sich und macht damit das Unrecht der Aggression sichtbar. Das gilt auch für wenig bekannte Beispiele aus der Ukraine [5] sowie für mutige Menschen in Rußland und Belarus.
Sicherheit neu denken [6], initiiert 2018 von der Evangelischen Landeskirche in Baden, gibt auf politischer Ebene Impulse, um von einer rein militärisch geprägten Sicherheit zu einer zivilen Sicherheitspolitik zu kommen. Dabei geht es um gerechte internationale Beziehungen, nachhaltige Entwicklung der EU-Beitritts- und Anrainerstaaten, Mitgestaltung der internationalen Sicherheitsarchitektur, resiliente Demokratie und die Transformation von Bundeswehr und Rüstungsindustrie. In einem dialogischen Prozeß haben Gruppen in den Niederlanden, Österreich, Großbritannien, der Schweiz und ein Netzwerk in Afrika diese Grundidee aufgegriffen und an ihren jeweiligen Kontext angepaßt. Im vergangenen Jahr veröffentlichte die Initiative das vierte Impulspapier zum Thema "Sicherheitsstrategien neu denken: Gewalt stoppen und überwinden" - in Israel und Palästina, in der Ukraine und weltweit [7].
Auf diesem Hintergrund appelliert „church and peace“:
- an die EU und ihre Mitgliedsstaaten, 2% der Militärausgaben für friedensfördernde Maßnahmen und für Instrumente ziviler Konfliktbearbeitung zur Verfügung zu stellen;
- an die Verantwortlichen von Gemeinwesen, sich über gewaltfreie Alternativen für die in ihrer Kompetenz liegenden Sicherheit zu informieren, sie anzuwenden und zu fördern;
- an Bürger*innen und Friedensaktivist*innen, sich auszubilden in zivilen Friedensdiensten, Formen gewaltfreien Widerstands und deren medialer Verbreitung;
- an die Kirchen, der Gewaltfreiheit Jesu treu zu bleiben; (als Think Tanks ) mit ihren Gemeinden den jeweiligen Auftrag für das Gemeinwohl und den Frieden wahrzunehmen; durch spirituelles und theologisches sowie praktisches Empowerment Sauerteig des Friedens in unseren Gesellschaften zu sein.
[1] https://stopfuellingwar.org/en/ https://stopfuellingwar.org/fr/
[2] https://nonviolentpeaceforce.org/
[3] https://www.refo-moabit.de/
[4] https://wehrhaftohnewaffen.de/ueber-uns/
[5] https://friedensbildungswerk.de/Bilder/pdf/ukraine-gewaltfreier-ziviler-widerstand.pdf
[6] https://www.sicherheitneudenken.de/
[7] https://www.sicherheitneudenken.de/impulspapiere-2/
church and peace e. V. ist der ökumenische Zusammenschluß von Friedenskirchen und friedenskirchlich orientierten Gemeinden, Kommunitäten und Friedensorganisationen in Europa.