Gegen Selbsttäuschung – Mark Twain zur Kriegspropaganda

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Dann werden Politikerinnen und Politiker billige Lügen erfinden, die Schuld der angegriffenen Seite zuschieben – einem Volk, einer Gemeinschaft, einer Nation. Und jeder einzelne Mensch wird diese das Gewissen beruhigenden Unwahrheiten dankbar annehmen, sie eifrig studieren und alle Gegenbeweise ignorieren. Schließlich wird man sich selbst davon überzeugen, daß der Krieg gerecht sei – und Gott danken für den besseren Schlaf, den einem diese groteske Selbsttäuschung beschert.

Das Zitat stammt aus Mark Twains Werk The Mysterious Stranger, das erst nach seinem Tod 1916 veröffentlicht wurde. Es handelt sich um eine wortgetreue, freie Übersetzung ins Deutsche, um die Kraft und Klarheit von Twains Kritik zu erhalten. Twain prangert die Mechanismen an, mit denen politische Verantwortung verschleiert und moralische Selbsttäuschung möglich gemacht werden – insbesondere vor und während eines Krieges.

Es mahnt uns, wachsam zu bleiben – gegenüber Propaganda, gegenüber scheinbar beruhigenden Erzählungen und gegenüber der eigenen Neigung, unbequemen Wahrheiten ausm Weg zu gehen. Ein Glaube, der sich dem Frieden verpflichtet weiß, darf sich nicht mit moralischer Selbstberuhigung betrügen. Es braucht den Mut, Lügen zu durchschauen, und die Bereitschaft, sich auch dem Unbequemen auszusetzen – auch dann, wenn es der Mehrheitsmeinung widerspricht.

Es sind solche Mahnungen, die uns helfen können, innerlich klar zu bleiben – auch dann, wenn die Welt laut und widersprüchlich wird. Sie erinnern uns daran, daß Wahrhaftigkeit mehr verlangt als bloße Meinungen: nämlich die Bereitschaft, sich nicht mit einfachen Antworten zufriedenzugeben. Wer dem Fried verpflichtet ist, muß nicht perfekt sein – aber wachsam. Und wach genug, um nicht denen zu folgen, die mit Lügen führen.

Gegen Selbsttäuschung, Mark Twain.
Gegen die Selbsttäuschung – Mark Twain zur Kriegspropaganda