Im Advent hat Jesaja eine politische Botschaft für uns
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Prophet Jesaja vertrat eine klare Haltung zu den politischen Fragen seiner Zeit. Seine Worte, die an den vier Adventssonntagen in vielen christlichen Versammlungen gelesen werden, lassen sich kaum hören, ohne sie mit der heutigen Politik in Verbindung zu bringen.
Jesaja begann etwa 750 Jahre vor der Geburt Jesu zu predigen. Zu der Zeit war das jüdische Volk in zwei Reiche geteilt: Israel im Norden und Juda im Süden. Jesaja stammte aus einer wohlhabenden Familie im Süden und lebte in Jerusalem, der Hauptstadt Judas. Er lebte in einer Zeit internationaler Spannungen und unsicherer Bündnisse. Assyrien, das Gebiet des heutigen Irak, war die beherrschende Großmacht. Israel und Syrien fielen zeitweise in Juda ein, um es zu einem Bündnis gegen Assyrien zu zwingen. Juda wandte sich jedoch an Assyrien selbst. Israel wurde besiegt, und Juda geriet die Abhängigkeit Assyriens. Später erhob sich Juda erneut, da Unterstützung aus Ägypten in Aussicht gestellt worden war. Auch dieser Aufstand scheiterte.
Für Juda und Israel waren das dunkle Jahre.
Jesaja mischte sich als Prophet offen in diese politischen Fragen ein. Er war überzeugt, daß Außenpolitik sich am Willen Gottes orientieren müsse und nicht an kurzfristigem Vorteil. Er lehnte das Bündnis Judas mit Assyrien gegen Israel ab. Später warnte er ebenso vor dem Aufstand gegen Assyrien und davor, auf Ägypten zu vertrauen. Die Berater des Königs hielten ihn deshalb für weltfremd und illoyal. Das kommt einem bekannt vor: Wer Kritik übt, gilt schnell als naiv oder als Verräter. Rückblickend zeigt sich jedoch, daß Jesajas Einschätzung klüger war als die der politischen Experten.
Was Jesaja antrieb, war seine tiefe Gotteserfahrung. Er sah Gott als den Heiligen, als den eigentlichen König Judas. Sein Volk sollte auf Gott vertrauen und nicht auf Herrscher oder militärische Macht.
Doch Juda hatte nicht nur außenpolitische Probleme. Im Inneren wurden arme Menschen ausgebeutet. Deshalb sprach Jesaja immer wieder über soziale Gerechtigkeit. Für ihn war klar: Ein gerechtes Gemeinwesen ist stark. Ein Staat, der auf der Unterdrückung der Armen gründet, ist vor Gott schuldig und nach außen hin verwundbar.
Jesaja verlor das Vertrauen in die Könige Judas, obwohl sie aus dem Hause Davids stammten. Er benutzte das Bild eines Winzers, der einen Weinstock zurückschneidet, um krankes Holz zu entfernen. Aus dem verbliebenen Stumpf, aus der Familie Isais, des Vaters Davids, soll ein neuer Trieb wachsen. Gesucht war eine neue Führungspersönlichkeit aus dieser Linie, die frei von den Machtspielen jener Zeit war.
Dann beschreibt Jesaja, wie dieser ideale Herrscher sein soll. Auf ihm ruht der Geist des Herrn. Jesaja nennt die Gaben, die später als die sieben Gaben des Heiligen Geistes bezeichnet werden: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Ehrfurcht vor Gott. Mit diesen Gaben kann man gerecht und verantwortungsvoll regieren.
Dieser Herrscher wird gerecht urteilen. Er steht auf der Seite der Armen. Wer andere rücksichtslos ausnutzt, muß mit Konsequenzen rechnen. Entscheidungen werden nicht zugunsten der Reichen und Mächtigen verzerrt.
Am Ende entwirft Jesaja eindrückliche Bilder eines friedlichen Reiches, das aus solcher Gerechtigkeit entsteht: „Der Wolf lebt beim Lamm, und der Leopard liegt neben dem Böcklein.“
Jesaja hoffte auf einen menschlichen König für Juda. Der christliche Glaube erkennt in dieser Verheißung Jesus. Auf ihm ruht der Geist Gottes, er wendet sich den Armen und Unterdrückten zu, und er richtet gerecht.
Doch Jesajas Botschaft reicht über seine Zeit hinaus. Gottes Heiligkeit fordert, daß Gerechtigkeit und Liebe sowohl das Zusammenleben im Inneren eines Landes als auch die Beziehungen zwischen Staaten prägen. Deswegen wurde von der ersten Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im Jahre 1948 in Amsterdam erklärt: Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein!
Und der Zentralausschuß des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) bekräftigte 2025 in Johannesburg, Südafrika, daß Krieg mit dem Willen Gottes unvereinbar und daher abzulehnen sei, und forderte einen sofortigen globalen Waffenstillstand als moralisches Gebot. Wer Frieden will, arbeite für Gerechtigkeit und Gewaltfreiheit.
Wie Jesaja sind auch wir enttäuscht von politischer Führung. Wir wünschen uns Verantwortliche, auf denen der Geist Gottes ruht. In einer Demokratie gilt das jedoch ebenso für die Bevölkerung. Politik braucht Menschen mit Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Ehrfurcht vor Gott. Fehlen diese Haltungen, wird Politik selbstbezogen und korrupt. Jesajas Zeit war von Krieg und Ungerechtigkeit geprägt, und unsere Welt ist es ebenso. Wir erleben Kriege in der Ukraine, im Nahen Osten, im Sudan und im Kongo. Die Weltwirtschaft begünstigt wenige, während viele kaum vorankommen. Börsen steigen, doch Einkommen verlieren an Kaufkraft. Korruption und Vetternwirtschaft sind weltweit verbreitet.
Was würde Jesaja uns heute sagen? Er war Idealist und Realist zugleich. Er sprach von sozialer Gerechtigkeit und warnte vor dem Vertrauen auf Waffen. Zugleich mahnte er, Fürsten und Bündnissen nicht blind zu glauben. Selbsternannte Fachleute mit einfachen Lösungen liegen oft daneben.
Er würde fragen, warum Milliarden für Waffen und Steuervorteile ausgegeben werden, während Hilfe für Hungernde, Kranke, Erwerbslose sowie für Menschen, die unter Kriegen und Klimakatastrophen leiden, gekürzt wird. Solche Entscheidungen würde er scharf verurteilen und uns auffordern, nach einem Reich der Gerechtigkeit, Gewaltfreiheit und des Friedens zu streben.
Im Advent erinnert Johannes der Täufer daran, daß Gottes Herrschaft nahe ist. Es braucht eine Umkehr des Herzens und eine Erneuerung unseres Handelns, persönlich und gesellschaftlich.
„Kehrt um, denn das Himmelreich ist nahe!“ Mit Worten aus Jesaja ruft Johannes dazu auf: „Bereitet dem Herrn den Weg, macht seine Pfade gerade.“ Das geschieht durch den Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden.
Jesaja wußte, wovon er sprach. Im Advent sollten wir auf ihn hören und darum bitten, daß der Geist des Herrn auf uns und auf unserem Land und allen Ländern dieser Welt ruht.