Mutterschaft in Bedrängnis, im Ungewissen
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Frauen in Palästina haben viele Gründe zur Sorge, doch die Mutterschaft unter Besatzung bringt noch größere Ängste mit sich. Danya Nasereddin schildert, wie sich in dieser Zerreißprobe Mutterschaft und Widerstand untrennbar verweben.

Danya Nasereddin, August 5, 2025
Weißt du, manchmal sitze ich nachts einfach da und frage mich, wie Frauen in diesem Land Mutter sein sollen. Schon ohne Besatzung ist Mutterschaft beängstigend: Bin ich gut genug? Bin ich bereit? Was passiert mit meinem Körper, mit meiner Arbeit, mit meinen Träumen? Aber hier, unter Soldatenstiefeln, wird jede dieser Fragen noch schwerer, als hätte jemand Beton darauf geschichtet.
Es ist ohnehin nicht leicht, als Frau in Palästina zu leben. Von Geburt an gibt es Regeln, die mir meine Geschlechterrolle vorschreiben. Die Gesellschaft erwartet, dass ich ihr Bild von mir perfektioniere, dass ich genau die Frau werde, die sie in mir sehen will: fehlerlos und klaglos.
Eine der mächtigsten Erwartungen ist das Muttersein. Schon unter „normalen” Umständen jagt es mir Angst ein. Was, wenn ich dieser Rolle nicht gewachsen bin? Was, wenn ich mich selbst verliere, meine Karriere aufgeben muss und mein Körper nie wieder so wird, wie er war?
Doch über allem schwebt die größere Frage: Wie soll ich unter Besatzung Mutter sein?
Seit Jahren versucht die Besatzungsmacht Israel, unsere palästinensische Identität mitsamt unserer Beziehung zu diesem Land auszulöschen. Diese Zerstörung beginnt schon bei der Geburt. Muttersein gilt als eine der größten Freuden überhaupt, doch genau dieser Moment wird uns genommen. Die Besatzung beschränkt sich nicht auf Landraub, sondern formt auch unser Muttersein, indem sie unsere innersten Gefühle eindringt.
Der Gedanke, mein Kind an Söldner in Uniform zu verlieren, verfolgt mich Tag und Nacht. Ich bin nicht verheiratet und mein Kind existiert nur in meiner Vorstellung. Und doch sehe ich es schon tot daliegen, nur weil es Palästinenser:in ist. Ich muss lernen, mit dieser vorweggenommenen Trauer zu leben. Gleichzeitig will ich der Besatzung nicht die Befriedigung geben, meinen Widerstandswillen zu brechen. Also setze ich ein mutiges Gesicht auf und muss immer stark und mutig erscheinen, auch wenn mir manchmal nur nach Schreien ist.
Ich male mir aus, wie mir mein Kind vom Schoß gerissen wird und in eine Zelle ohne Licht und Hoffnung hineingestoßen wird. Wird es dort statt Maklouba nur schimmelige Krümel essen? Wird der Duft der Jasminblüte vor unserer Tür seine letzte schöne Erinnerung sein?
Ich fürchte, dass ihm Gefängnisbefehle zwanzig Jahre seiner Jugend stehlen wird, einfach nur weil es Palästinenser:in ist. Wenn sich die Zellentür dann endlich öffnet, werde ich mein eigenes Kind noch erkennen? Oder erkennt es mich? Ich stelle mir vor, wie ich warte: auf eine Nachricht, auf seine Stimme, darauf, ihm sein Lieblingsessen zu kochen, darauf, dass es endlich nach Hause kommt. Und während ich warte, trage ich die Schuld, mein Leben ohne ihn gelebt zu haben – eine Freude mit dauerhaftem Riss.
Die Angst hört nicht auf, sie bleibt. Manchmal sehe ich mich selbst verhaftet, gefesselt und mit verbundenen Augen, während meine Kinder zusehen. Wie soll meine Seele ertragen, dass ich sie nicht mehr in den Arm nehmen kann?
Am meisten aber fürchte ich, mit einer Kugel im Kopf zu Boden zu gehen und meinen Kindern kein letztes „Ich liebe euch“ mehr sagen zu können.
Solche Geschichten sind hier keine düsteren Fantasien. Wir hören sie jeden Tag in den Nachrichten, aus der Nachbarschaft, aus unseren Familien. Was ich mir ausmale, ist die gelebte Wirklichkeit vieler Palästinenserinnen.
Da stellt sich mir die Frage: Lasse ich zu, dass die Besatzung ihr Ziel erreicht – unsere Existenz zu tilgen, uns den Glauben an Widerstand zu nehmen und uns unserer Träume und Identität zu berauben? Oder lebe ich bewusst mein eigenes Leben, gerade weil keine Kolonialmacht meine Entscheidungen kontrollieren darf?
Was mich trägt, ist die Gewissheit, nicht allein zu sein. An meiner Seite stehen all die klugen, entschlossenen Palästinenserinnen – Mütter, Töchter, Schwestern –, die dieselben Zweifel kennen und dennoch Tag für Tag weitermachen. In unseren nächtlichen Gesprächen teilen wir Angst und Hoffnung, tauschen Rezepte gegen Mut und Erinnerungen gegen Zuversicht. Aus dieser Gemeinschaft wächst Trost: Jede von uns weiß, dass die andere sie auffängt, wenn das Herz zu schwer wird.
Ob ich je eine endgültige Antwort finde? Vielleicht nicht. Doch solange wir atmen, schlägt unser Widerstand leise, jedoch unermüdlich fort – in unseren Gedanken, in unseren Körpern und in all den Mutterherzen, die sich gemeinsam gegen jede Form von Auslöschung stemmen.
Dieser Text von Danya Nasereddin erschien zuerst in englischer Sprache auf der Website von Community Peacemaker Teams (CPT) und wurde maschinell übersetzt. Das Origina findet sich hier: https://cpt.org/2025/08/05/motherhood-in-doubt