Die andere Reformation
Gartengeschwister wurden sie in Augsburg genannt. Um die 1000 sollen es zwischen 1526 und 1528 gewesen sein. Von ihren Gegnern wurden sie als Ketzer, Aufrührer, Wiedertäufer, Schwärmer, Himmelsstürmer, neuer Tauforden oder neue Möncherei diffamiert. Die historische Forschung spricht heute von Täuferbewegung oder „radikaler Reformation“.
Sie übten Kritik an der Säuglingstaufe und wollten wie die frühe Kirche nur Erwachsene taufen. Die Taufe sahen sie als Zeichen der Entscheidung, Jesus nachzufolgen. Viele verweigerten der Obrigkeit den Waffendienst, weil sie Jesu Gebot der Feindesliebe ernstnehmen wollten. Das machte sie bei den Mächtigen nicht beliebter. Vom Augsburger Stadtrat und der offiziellen Reformation in den Untergrund abgedrängt, wurden sie schließlich gewaltsam vertrieben. Fast überall im „Heiligen Römischen Reich deutscher Nation“ waren sich die entstehenden lutherischen und reformierten Kirchen mit der katholischen Kirche und den jeweiligen Landesherren einig: Als „Aufrührer“ und „Gottes-lästerer“ müssen die Täufer kriminalisiert, verfolgt und vernichtet werden. Luthers Mitarbeiter Philipp Melanchthon verdammte die „Wiedertäufer“ im Augsburger Bekenntnis in vier Artikeln. Ein gemeinsames Feindbild sollte Brücken bauen zur katholischen Religionspartei. In Gutachten empfahl Melanchthon die Todesstrafe für halsstarrige Täufer.
Augsburg war neben Straßburg ein Hauptzentrum der Täuferbewegung. Erst 1926 gibt es in Augsburg mit den Mennoniten wieder eine täuferische Gemeinde, benannt nach dem niederländischen Prediger Menno Simons, 1496-1561. Seit dem 19. Jahrhundert gibt es hierzulande Baptisten- und freie evangelische Gemeinden. Sie verdanken Taufverständnis und andere Impulse der Täuferbewegung. Ebenso die Anfang des 20. Jahrhunderts entstehenden Pfingstgemeinden und andere Freikirchen.
Wenig war bisher in den Jubiläumsveranstaltungen „500 Jahre Reformation“ von diesem damals unterdrückten Flügel der Reformation die Rede. Das soll sich in Augsburg ändern. Eine Veranstaltungsreihe will an die Anfänge der Täuferbewegung erinnern und nach heutigen und zukünftigen Herausforderungen fragen.
„Komm, folge mir nach!“ lautet die Einladung Jesu seit bald 2000 Jahren. Im Ruf nach Kirchenreform wurde sie vor 500 Jahren neu gehört. Wie antworten wir auf diesen Ruf heute?
Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, und der ist Jesus Christus.