Aus dem Tod zum Leben

Aus dem Tod zum Leben?!?!

Im Januar 1525 entsteht in Zürich die Täuferbewegung. Dort weigern sich Schüler des Reformators Zwingli, weiter Säuglinge zu taufen und streben nach einer vom Staat unabhängigen Kirche. Zu Taufe und Nachfolge Jesu sollen sich die Menschen frei entscheiden. Zur Teilnahme an Krieg und Gewalt sind sie nicht bereit. Lieber wollen sie die bald einsetzende Verfolgung ertragen. In Augsburg kommt es ein Jahr später an Pfingsten 1526 zur ersten Glaubenstaufe. Zumindest sagen das die Verhörprotokolle gefangener Täufer. Vielleicht gab es aber auch schon vorher undokumentiert gebliebene Taufen.

Frühling am Daucherhaus
Frühling am Daucherhaus

Am 12. April, dem Ostersonntag 1528, versammeln sich im Haus der Susanna Daucher hundert „Gartengeschwister“, wie die Täufer in Augsburg genannt werden. Sie feiern die Auferstehung Christi. Die Prediger Hans Leupold und Jörg Nespitzer warnen vor den  Risiken der illegalen Versammlung. Zwölf Personen verlassen das Haus, bevor die Stadtwache die Versammlung sprengt und die achtundachtzig noch Anwesenden verhaftet. Sie werden gütlich und peinlich (unter Folter) verhört. Aus den Verhörprotokollen von Gastgeberin Susanna Daucher und ihrer Schwester Maxentia Wissinger wird deutlich: Sie sind sich keiner Schuld bewusst. In den Versammlungen sei nur „das Wort Gottes vorgelesen und gelehrt worden“. Maxentia sagt aus, sie schäme sich nicht, Gott zu loben, habe sich dem Herrn ergeben und ginge für ihren Glauben lieber ins Gefängnis als anderswie zu sterben.  Die Auswärtigen werden ausgewiesen. Dorothea Fröhlich, Scholastika Stierpaur und Thomas Paur wird mit glühnden Eisen ein Kreuz auf die Backe gebrannt. Elisabeth Heggenmiller wird die Zunge herausgeschnitten.

Erinnerungstafel, Schleifergasse - Hinterer Lech
Erinnerungstafel, Schleifergasse - Hinterer Lech

Hans Leupold wird zwei Wochen später hingerichtet. Susanna Daucher ist schwanger und wird doch wie andere aus der Stadt gepeitscht. Ihre beiden kleinen Söhne (5 und 7) muss sie zurücklassen. So wird Ostern 1528 für die Täufergemeinde in Augsburg zu „Karfreitag“. Als das Urteil gegen Hans Leupold vor dem Rathaus verkündet wird, er solle „aus Gnaden mit dem Schwert vom Leben zum Tod gerichtet werden“, ruft er laut: „Nit also Ihr Herren von Augsburg, sondern aus dem Tod zum Leben!“ Am 25.4.1528 wird er nahe beim heutigen Eisstadion enthauptet. Die Gartenemeinde wird zerschlagen. Einige finden Zuflucht in Mähren. Andere werden von Täuferjägern des Schwäbischen Bundes ergriffen. Manche integrieren sich in die entstehende lutherische Obrigkeitskirche.

Ostern 2025

Immer noch Krieg in Europa. Seit drei Jahren leben nun Flüchtlinge aus der Ukraine in Deutschland. In Gaza geht Israels maßloser Rachefeldzug gegen die Zivilbevölkerung weiter. Immer noch hält die Hamas Geiseln fest. Der Kanzler der „Zeitenwende“ wird abgelöst. Eine Koalition aus zwei einstmals großen Parteien ersetzt die Schuldenbremse durch ein nach oben offenes „Sondervermögen“ zur Aufrüstung. Unser Land soll „kriegstüchtig“ werden. Das Militärische erhält Vorrang. Ängste vor einem Atomkrieg werden wach. Die vor 500 Jahren entstandene Bewegung wandelt sich zu den heutigen Gemeinden der Mennoniten, der Amischen und der gütergemeinschaftlich lebenden Hutterer. Noch immer sind wir herausgefordert, in der Nachfolge Jesu einen Weg des Friedens, der Gewaltfreiheit und der Liebe – auch und gerade zu den Feinden – zu leben.

Jubiläumsjahre in Augsburg

  • 2025: 500 Jahre Täuferbewegung, 500 Jahre Bauernkrieg
    Vor 500 Jahren entsteht die Täuferbewegung in Zürich. Jubiläumsveranstaltungen und Ausstellungen in Deutschland, Schweiz, Österreich, Frankreich und anderswo. Viele Täufer und Täuferinnen sind auch Teil der Bauernbewegung und teilen deren Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit.
  • 2026: 500 Jahre Gartengeschwister, 100 Jahre Mennonitengemeinde Augsburg
    Das doppelte spezifisch Augsburgische Jubiläumsjahr: Gartengeschwister und Mennoniten
  • 2027: 500 Jahre „Märtyrersynode“
    Im August 1527 treffen sich in Augsburg einige Dutzend führende Täufer aus Süddeutschland,  Schweiz,  Österreich und Mähren zu einer Konferenz über theologische und „missionsstrategische“ Themen. Auf dem Weg zurück in ihre regionalen  Einsatzorte werden fast alle gefangen genommen, vor Gericht gestellt und hingerichtet. Darum wird die Versammlung später als „Märtyrersynode“ bezeichnet.
  • 2028: 500 Jahre „Osterversammlung“ im Daucherhaus
    Eine illegale Osterversammlung wird von der Stadtwache gesprengt. Die Teilnehmenden werden bestraft.
  • 2030: 500 Jahre Confessio Augustana (CA), 20 Jahre täuferisch-lutherischeVersöhnung
    Im lutherischen Grundbekenntnis von 1530, der „Confessio Augustana“, heißt es viermal: „verdammt werden die Wiedertäufer“. Die Verdammungsartikel fassen Ausgrenzung und Hassreden seit 2025 zusammen und ziehen eine blutige Spur weiter durch die Geschichte. Doch 2010 formuliert die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Stuttgart eine Bitte um Vergebung für die lutherische Beteiligung an der Verfolgung im 16. Jahrhundert. Die darauf folgende Versöhnung mit der Mennonitischen Weltkonferenz macht „Heilung der Erinnerung“ möglich.

Die andere Reformation, Wolfgang Krauß