Kernüberzeugungen der Täufer:innen: Der Auftrag zur Friedensstiftung in der Nachfolge
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Ein über Täufer:innen Text und wie man sie erkennt
Die Täuferbewegung, eine Bewegung, die im 16. Jahrhundert als Erneuerungsbewegung innerhalb der katholischen Kirche in Europa begann, erkannte bald, daß die Reformatoren, mit denen sie zunächst gemeinsame Wege beschritten, auf halbem Wege stehenblieben. Sie setzte daher auf Restitution der Nachfolge Jesu, ein Leben, das von der Vision Jesu geprägt ist. Die Täufer zeichneten sich durch ihre kompromißlose Haltung zu Frieden und Gewaltlosigkeit aus. Sie verstehen sich zunächst als Glieder im Reich Gottes. Diese Prinzipien, tief in ihrer theologischen Identität verwurzelt, machen sie bis heute zu hartnäckigen Friedensstifter:innen in einer oft chaotischen und konfliktreichen Welt. Auch wenn manche im Verlauf der Geschichte immer wieder versagten, kam es stets zu Erneuerungen. An den Kernüberzeugungen ist erkennbar, ob es sich um Täufer:innen, um eine täuferische Gemeinschaft handelt.
Die Friedensüberzeugung der Täufer:innen hat ihre Wurzeln überwiegend im Zweiten Testament, insbesondere in den Worten und Taten Jesu Christi. Die Bergpredigt (Matthäus 5–7) bildet das Fundament ihrer Ethik. Jesu Aufruf, Barmherzigkeit gegenüber den Feinden („Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen“, Matthäus 5,44), ist zentral für das Verständnis ihrer Nachfolge. Für die Täufer:innen bedeutet dies, Jesu Beispiel radikal zu folgen – auch unter persönlichen und gesellschaftlichen Kosten.
Wenn die Menschheit erkennt, daß Gott den gewaltsamen Tod Jesu am Kreuz weder forderte noch verlangte, sondern daß dieser die Grausamkeit menschlichen Handelns aufzeigt, und wenn sie versteht, daß Jesus die Möglichkeit hatte, sich zu wehren, aber bewußt auf einen gewaltsamen Aufstand verzichtete, um zu zeigen, wie man die Spirale der Gewalt durchbricht und kein neues Leid und keinen neuen Haß provoziert, dann ist die Menschheit auf einem guten Weg.
Die Erlösung, von der gesprochen wird, wenn es heißt, Jesus habe uns Menschen erlöst, besagt, daß die Erlösung in unserem Umgang mit dem Bösen liegt. Sie zeigt sich in der Art und Weise, wie wir Konflikten und Notlagen begegnen – indem wir ihnen aktiv gewaltfrei entgegentreten.
Die Menschheit hat in den letzten hundert Jahren gewaltige Fortschritte gemacht, die allen zugutekommen. Grund- und Menschenrechte sowie das Völkerrecht bilden Grundlagen, auf die sich die Menschheit geeinigt hat und die es weiter auszubauen gilt. So bleibt die Hoffnung bestehen, daß es eines Tages keine Kriege mehr geben wird, wie es im Ersten Testament in Jesaja 2,4 beschrieben ist.
Die Ablehnung von Gewalt zählt, abgesehen vom Gemeinschaftssinn, zu den markantesten Merkmalen der Täufer:innen. Sie lehnten nicht nur bewaffnete Konflikte ab, sondern auch Gewalt in persönlichen und institutionellen Beziehungen. Diese Haltung provozierte in einer Zeit, da Gewalt als legitimes Mittel der politischen und religiösen Ordnung galt. Dennoch blieben die Täufer:innen standhaft und sahen in der Gewaltfreiheit einen wesentlichen Bestandteil ihrer Nachfolge.
Friedensstiftung ist für die Täufer:innen nicht bloß eine passive Ablehnung von Gewalt wie in ihren Anfängen, sondern ein aktives Engagement. Historisch setzten sie sich für die Hilfe Verfolgter, die Mediation in Konflikten und den Aufbau von Gemeinschaften ein. Heute wirken täuferische Gemeinschaften weltweit durch humanitäre Hilfsprojekte, interreligiösen Dialog und gewaltfreie Proteste, Unrecht klar benennen – ein aktives Einmischen.
Frieden ist für die Täuferinnen und Täufer nicht nur die Abwesenheit von Krieg, sondern die aktive Schaffung von Gerechtigkeit. Diese Haltung brachte sie immer wieder in Konflikt mit politischen und gesellschaftlichen Strukturen, die Ungleichheit oder Unterdrückung rechtfertigten. Sie verstehen ihren Widerstand jedoch nicht als politischen Aktivismus, sondern als spirituellen Auftrag.
Die Friedensethik der Täufer:innen wurde oft als naiv oder realitätsfern kritisiert. Kritikerinnen und Kritiker argumentieren, daß Gewaltfreiheit in einer Welt voller Ungerechtigkeit unrealistisch sei. Doch die Täuferinnen und Täufer sehen ihre Haltung als prophetischen Einspruch gegen eine Kultur der Gewalt. Ihr Beispiel zeigt, daß Frieden möglich ist, wenn Menschen bereit sind, mutige Schritte zu gehen.
In einer Zeit sozialer und politischer Spannungen bietet die täuferische Friedensethik wertvolle Impulse. Sie erinnert daran, daß Frieden nicht nur eine politische Agenda, sondern ein spiritueller Lebensstil ist. Die Täufer:innen laden ein, Verantwortung zu übernehmen und für Versöhnung einzutreten – auch angesichts großer Herausforderungen.
Der Weg zu Gerechtigkeit und Versöhnung beginnt mit der Anerkennung der grundlegenden Geliebtheit aller Menschen. Gerechtigkeit verstehen Täufer:innnen umfassend aus einer friedenstheologischen Perspektive. Sie schließt den Einsatz für gleiche Rechte und Chancen für alle Menschen ein, unabhängig von Geschlecht, geschlechtlicher Identität, Herkunft oder sozialem Status. Dazu gehört das Eintreten für die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen, wie etwa Entscheidungen über den eigenen Körper – das Recht auf Abtreibung eingeschlossen – bis hin zu Fragen des humanen Sterbens sowie der Widerstand gegen jegliche Formen der Ausbeutung und Diskriminierung. Der Kampf gegen Rassismus ist zentral für eine umfassende Vision von Gerechtigkeit, da rassistische Diskriminierung weltweit zu sozialer, ökonomischer und politischer Ungleichheit führt und keinen Platz im Reich Gottes hat. Diese Anliegen erfordern sowohl den Blick auf strukturelle Probleme als auch eine kritische Reflexion der eigenen Gemeinschaften, um Ungleichheit und Vorurteile wirksam zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang wird die Agape-Liebe, eine bedingungslose und umfassende Liebe, als Schlüssel für eine Gemeinschaft beschrieben, die auf gegenseitigem Respekt und Anerkennung beruht. Der Begriff der „Gemeinschaft der Geliebten“ hebt hervor, daß Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung untrennbar mit der Liebe zu allen verbunden sind.
Bibelstellen wie Markus 12,30–31 und Matthäus 5,43–48 geben praxisnahe Anleitungen, wie diese Haltung im Alltag umgesetzt werden kann, insbesondere in Konfliktsituationen:
- Aktives Zuhören: Dem Gegenüber aufmerksam zuhören, ohne voreilige Schlüsse zu ziehen, und echtes Interesse an dessen Perspektive zeigen.
- Freundlichkeit im Dialog: In Gesprächen respektvoll und wertschätzend bleiben, selbst wenn die Meinungen auseinandergehen.
- Empathie zeigen: Die Gefühle anderer Menschen bestätigen, damit sie verstanden und anerkannt werden.
- Hoffnung durch Gebet: In herausfordernden Situationen können Gebete oder meditative Übungen helfen, Hoffnung zu bewahren und neue Wege zu finden.
Eine zentrale Botschaft lautet: Friedensstiftung bedeutet mehr als bloßen Aktivismus. Sie erfordert den Aufbau und die Pflege von Beziehungen. Indem Menschen lernen, aufeinander zuzugehen und ihre Verschiedenheit als Bereicherung zu sehen, wird eine Grundlage für dauerhaften Frieden geschaffen. Dies gilt nicht nur innerhalb von Gemeinschaften, sondern auch darüber hinaus in der Gesellschaft insgesamt. Die Länder, in denen wir leben, sollen friedenstauglich werden, was die Fähigkeit zur gewaltfreien Konfliktlösung erfordert, die kontinuierlich eingeübt wird, dazu gehören präventive Maßnahmen, durch die Krisen von vornherein verhindert werden.
Die Friedensarbeit ruft dazu auf, nicht nur aktiv an der Lösung von Konflikten mitzuwirken, sondern auch langfristig Beziehungen zu stärken und ein Umfeld zu schaffen, in dem alle Menschen als gleichwertig und geliebt verstanden werden. Diese Haltung kann dazu beitragen, gesellschaftliche Spaltungen zu überwinden und eine Kultur des Respekts und der Versöhnung zu fördern.
Die Täufer:innen verstehen Gerechtigkeit und Frieden nicht als Option, sondern als Auftrag. Ihr tief verwurzelter Glaube an Gewaltfreiheit fordert heraus, darüber nachzudenken, wie Nachfolge Jesu und seine Vison in einer konfliktreichen Welt aussehen kann. Ihre Konsequenz und Beharrlichkeit zeigen, daß wahre Nachfolge oft unbequem, aber zutiefst transformierend ist.
Mennoniten