Oratio Dominica

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Du, Gott, bist Vater und Mutter in den Himmeln

Das „Unser Vater“, auch „Vaterunser“ genannt, ist eines der bekanntesten und zentralsten Gebete des christlichen Glaubens, das in vielen Sprachen und Kulturen verankert ist. Auf Plautdietsch heißt es „Unse Vader“, auf Niederländisch „Onzevader“, auf Pennsylvania Dutch „Unser Fadder“ und auf Französisch „Notre Père“. Es steht im Zentrum der Bergpredigt, wird von Jesus überliefert zugeschrieben und fasst zentrale Aspekte des christlichen Glaubens zusammen, wie das sichtbare Reich Gottes auf Erden, das Vertrauen auf Gott*, die tägliche Versorgung und den Umgang mit der Vergebung von Schuld. Alle, die sich von der göttlichen Geisteskraft leiten lassen, die euch nicht zu Sklaven und Sklavinnen macht, sondern euch von der Furcht befreit, sind Töchter und Söhne Gottes, betont Römer 8,14-15. Im Laufe der Jahrhunderte wurde dieses Gebet immer wieder neu interpretiert und formuliert, um es für die verschiedenen sprachlichen und kulturellen Kontexte verständlicher zu machen. Eine solche moderne Interpretation stammt von Kurt Marti (1921-2017), einem Schweizer Theologen und Schriftsteller, der für seine sozialkritischen und poetischen Werke bekannt ist. Marti hat sich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, wie christliche Botschaften in einer sich wandelnden Welt verständlich und relevant bleiben können. Seine Version des Vaterunsers spiegelt diese Auseinandersetzung wider, indem sie traditionelle Inhalte in eine zeitgemäße Sprache und einen neuen Kontext überträgt:

unser vater
der du bist die mutter
die du bist der sohn
der kommt
um anzuzetteln
den himmel auf erden
dein name werde geheiligt
dein name möge kein hauptwort bleiben
dein name werde bewegung
dein name werde in jeder zeit konjugierbar
dein name werde tätigkeitswort
bis wir loslassen lernen
bis wir erlöst werden können
damit im verwehen des wahns komme dein reich
in der liebe zum nächsten
in der liebe zum feind
geschehe dein wille –
durch uns.