church and peace unterstreicht Stellungnahmen des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen
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Krieg ist mit dem Willen Gottes unvereinbar und daher abzulehnen! Sofortiger globaler Waffenstillstand ist moralisches Gebot!

Für viele Christinnen und Christen wird der Juni 2025 als jener Moment in Erinnerung bleiben, in dem sich die Ökumene ihrer Verantwortung für eine friedlichere und gerechtere Welt vergewissert hat. Eine ganze Woche lang berieten in Johannesburg Delegierte aus allen Erdteilen darüber, wie das Zeugnis des Glaubens angesichts eskalierender Gewalt, wachsender Ungleichheit und drohender Klimakipppunkte glaubwürdig bleiben kann. Unter ihnen befand sich Anja Vollendorf, Vize-Dekanin und Vorstandsmitglied des friedenskirchlichen Netzwerks „church and peace” in Europa. Ihr Bericht verdeutlicht, wie ernst der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) die Zeichen der Zeit nimmt – und wie entschieden er sie deutet.
Gleich zu Beginn legten die Delegierten eine Erklärung vor, in der sie Krieg ausdrücklich als „gegen Gottes Willen“ verurteilen und einen sofortigen globalen Waffenstillstand fordern. Wer zwischen den Zeilen liest, merkt schnell: Hier wird nicht länger um Formulierungen gefeilscht, hier wird Klartext geredet. „Aktive Friedenskonsolidierung, die Trennungen überbrückt und Einheit vorlebt“ lautet die Losung, verbunden mit dem Plädoyer, gewaltlosen Widerstand gegen Unterdrückung und Militarismus als legitimen Weg der Veränderung zu rehabilitieren. Die Doktrin der nuklearen Abschreckung, die jahrzehntelang sakrosankt in sicherheitspolitischen Kreisen war, wird in dem Text als „irrational und zutiefst unmoralisch“ abgestempelt und alle Staaten werden dazu gedrängt, endlich dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten.¹
Diese moralische Schärfe blieb kein reines Lippenbekenntnis. Im Mittelpunkt der Ukraine-Passage stehen die Raketenangriffe vom April auf Kryvyi Rih, Sumy und Kiew. Sie werden ebenso verurteilt wie die anhaltende russische Invasion. Gleichzeitig erinnert der ÖRK daran, dass auch die russische Zivilbevölkerung unter den Folgen des Krieges leidet. Entsprechend eindringlich ist der Appell an beide Seiten, die Tür zu Dialog und Verhandlungen nicht zuzuschlagen. Solche Passagen lassen erahnen, wie schwierig diplomatische Formulierungen sein können, wenn die Wirklichkeit Woche für Woche neue Gräuelbilder liefert.
Kaum weniger deutlich fällt das Urteil über die jüngsten Angriffe der USA und Israels auf den Iran aus. Der Zentralausschuss bezeichnet sie als „militärische Aggression“ und warnt vor „irreführenden und unverantwortlichen Theologien des gerechten Krieges“. Dass der Rat in einem Atemzug auch religiösen Nationalismus und Extremismus kritisiert, zeigt seine Sorge darüber, wie leicht sich heilige Texte politisch missbrauchen lassen. Um Geist und Herz zur Ruhe zu rufen, haben die Delegierten einen weltweiten Gebetstag für den 29. Juni ausgerufen. Wer je an einer solchen ökumenischen Gebetswelle teilgenommen hat, weiß, wie tief die Verbundenheit jenseits aller Sprach- und Kulturgrenzen wirken kann.
Besonders drängend wurden die Debatten, sobald es um Israel und Palästina ging. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel bestimmt eine Spirale der Gewalt die Nachrichtenlage. In seiner Erklärung benennt der ÖRK ausdrücklich „die Realität der Apartheid, die Israel über die Palästinenserinnen und Palästinenser verhängt hat“, und fordert Konsequenzen wie Sanktionen, Desinvestitionen und ein Waffenembargo. Zugleich hält der Rat fest, dass Kritik an Regierungshandlungen niemals in Antisemitismus umschlagen darf. Mit derselben Deutlichkeit verurteilen die Kirchen antiarabischen Rassismus und Islamfeindlichkeit. Dieser Doppelklang mahnt zur intellektuellen Redlichkeit in einer hoch emotionalen Debatte.
In Johannesburg blieb die Auseinandersetzung mit der Geschichte kein Randthema. Der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts, verübt an den Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika, wurde in einer gesonderten Sitzung gewürdigt. Zugleich erinnerte man an das Leid der Bevölkerung im Kongo unter Leopold II., an den transatlantischen Sklavenhandel und an die verheerenden Folgen der Kolonisierung Lateinamerikas. All diese Verbrechen werden im Dokument „Aufforderung zur Verhütung von Gräueltaten” zusammengeführt. Darin werden Regierungen und Kirchen an ihre Pflicht erinnert, präventiv Widerstand zu leisten, bevor die Spirale der Gewalt erneut in offene Barbarei mündet.³

Einen hoffnungsvollen Akzent setzte die feierliche Eröffnung der Ökumenischen Dekade für Klimagerechtigkeit (2025–2034). Unter dem Stichwort „ökologische Metanoia” – eine Umkehr, die Herz und Hand gleichermaßen beansprucht – berichteten Delegierte von bereits eingetretenen Klimaschäden, die in Europa leicht übersehen werden. Dr. Semisi Turagavou von den Fidschi-Inseln schilderte, wie der geplante Tiefseebergbau unter dem Banner einer „blauen Wirtschaft” nicht nur Ökosysteme, sondern auch kulturelle Identitäten zerstört. Sein eindringliches Fazit: „Wir brauchen andere Modelle des Wirtschaftens.“⁴
An dieser Stelle knüpfte church and peace nahtlos an. Für die Vorsitzende Antje Heider-Rottwilm steht fest, dass Militärmanöver, Rüstungsproduktion und Kriege einen überproportionalen Fußabdruck im globalen CO₂-Budget hinterlassen – und diese Erkenntnis noch immer zu selten Eingang in klimapolitische Debatten findet. Bereits im Dezember 2024 hatte das Netzwerk bei einer eigenen Tagung gezeigt, wie eng Klimagerechtigkeit und Frieden miteinander verwoben sind. Wer das eine ohne das andere anstrebt, greift zu kurz.
Für Anja Vollendorf war die Woche in Johannesburg mehr als eine Konferenz: „Die ökumenischen Gespräche, Besuche und Gebete waren ein Geschenk für mich. Es ist wichtig, das Leid, die Hoffnung und die Spiritualität der Geschwister aus aller Welt wahrzunehmen und gemeinsam konkrete Schritte für eine bessere Zukunft zu entwickeln. Wir können solidarisch handeln.” Solche Sätze klingen auch Tage später noch nach, weil sie nicht von politischer Taktik, sondern von gelebter Gemeinschaft zeugen.
Seit seiner Gründung versteht sich „church and peace” als Brücke zwischen Friedenskirchen, christlichen Gemeinschaften, Ausbildungseinrichtungen und Diensten. In den Gängen von Johannesburg wurde spürbar, dass dieses Netzwerk mehr ist als eine lose Interessenvertretung. Es ist ein Resonanzraum, in dem ökumenische Weite und konkrete Friedensarbeit ineinandergreifen. Die Beschlüsse des ÖRK-Zentralausschusses liefern dafür Rückenwind – und verpflichten zugleich, die großen Worte in Taten umzusetzen. Denn eines hat das Treffen unmissverständlich gezeigt: Frieden und Gerechtigkeit fallen nicht vom Himmel, sondern wachsen dort, wo sich Frauen und Männer zusammentun, ihre Stimmen erheben und gemeinsam die Welt verändern.
Quellen: Pressemitteilung church and peace und Stellungsnahmen des Ökumenischen Rates der Kirchen.
¹ World Council of Churches: WCC Central Committee addresses threats to peace and security across the globe, 26. Juni 2025.
² World Council of Churches: WCC Central Committee: End apartheid, occupation and impunity in Palestine and Israel, 25. Juni 2025.
³ World Council of Churches: WCC Central Committee calls for guarding against atrocity crimes, 25. Juni 2025.
⁴ World Council of Churches: With prayer and commitment, WCC begins Ecumenical Decade of Climate Justice action, 21. Juni 2025.
https://www.oikoumene.org/de/news/wcc-central-committee-addresses-threats-to-peace-and-security-across-the-globe
https://www.oikoumene.org/de/news/with-prayer-and-commitment-wcc-begins-ecumenical-decade-of-climate-justice-action
https://www.oikoumene.org/de/news/wcc-central-committee-end-apartheid-occupation-and-impunity-in-palestine-and-israel
https://www.church-and-peace.org/2025/06/stellungnahmen-des-zentralausschusses/