Humanität und Solidarität: Schluß mit Abschiebungen zurück ins griechische Elend!

Erstellt am:

PRO ASYL und die Flüchtlingsräte fordern weitere Flüchtlingsaufnahmen aus Griechenland

Humanität und Solidarität geht anders

Während die Bundesregierung Asylsuchende und bereits anerkannte Flüchtlinge aus Griechenland ausfliegt, halten deutsche Behörden an Abschiebungen ins dortige Elend fest. PRO ASYL und die Landesflüchtlingsräte fordern, mehr Flüchtlinge aus Griechenland aufzunehmen und Abschiebungen nach Griechenland zu stoppen.

»Es ist ein Gebot der Menschenwürde und des Flüchtlingsschutzes, international Schutzberechtigte, die aufgrund der elenden Verhältnisse in Griechenland nach Deutschland weiterfliehen, genauso zu behandeln wie diejenigen Menschen, die organisiert aus Griechenland aufgenommen werden. Tausende anerkannte Flüchtlinge leben hier in einer unerträglichen Limbo-Situation. Ihnen muss ebenfalls ein sicheres Aufenthaltsrecht gewährt werden. Für Schutzsuchende im Dublin-Verfahren muss das BAMF ohne Wenn und Aber die Zuständigkeit für das Asylverfahren übernehmen«, sagt Karl Kopp, Leiter der Europaabteilung von PRO ASYL.

Angesichts der dramatischen Situation von Schutzsuchenden auf den griechischen Inseln sah sich die Bundesregierung in den letzten Monaten gezwungen, der Aufnahme von rund 2.750 Schutzsuchenden aus Griechenland zuzustimmen. Neben 150 unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten sowie 243 behandlungsbedürftigen Kindern mit ihren engsten Familienangehörigen sollen insgesamt 408 Familien (1.553 Personen) aus Griechenland aufgenommen werden, die dort bereits internationalen Schutz erhalten haben.

Auch wenn diese Aufnahmezusagen beschämend gering sind, sind sie dennoch ein implizites Eingeständnis der Bundesregierung, dass die Lebensbedingungen für Schutzsuchende und anerkannte Flüchtlinge in Griechenland menschenunwürdig und unzumutbar sind.

Asylsuchende, die es eigenständig aus Griechenland nach Deutschland schaffen, werden vom BAMF hingegen in aller Regel abgelehnt, ihnen droht die Abschiebung nach Griechenland. Alleine im ersten Halbjahr 2020 schickte das BAMF 2.768 Anfragen zur Übernahme im Rahmen der Dublin-III-Verordnung nach Athen – fast genauso viele wie Aufnahmezusagen erteilt wurden.

In weiteren 352 Fällen wurde Griechenland zwischen Januar und April 2020 bilateral von deutschen Behörden wegen der Rücknahme von Flüchtlingen angefragt, die dort einen Schutzstatus haben.

Hintergrundinformation: Anerkannte Flüchtlinge verelenden in Griechenland

PRO ASYL und seine griechische Partnerorganisation Refugee Support Aegean (RSA) dokumentieren seit Jahren die Situation von Schutzberechtigten in Griechenland und haben mehrfach darauf hingewiesen, dass Schutz in Griechenland nur auf dem Papier existiert.

In einer kürzlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingereichten Stellungnahme [1] kommen die beiden Organisationen zu dem Schluss, dass sich die Lage von Schutzberechtigten in Griechenland in jüngster Zeit weiter verschlechtert hat. Menschen, die mit internationalem Schutz nach Griechenland abgeschoben werden, landen dort in der Obdachlosigkeit, erhalten in der Praxis keinen Zugang zu elementaren Leistungen und können auch sonst auf keine Unterstützung von staatlicher Seite hoffen. Ihnen droht innerhalb kürzester Zeit Verelendung und ein Leben unter menschenrechtswidrigen Bedingungen.

Eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse dieser Stellungnahme in den Anlagen. [2]

Selbst wenn eine Abschiebung nach Griechenland abgewendet werden kann, sind die Belastungen für Tausende Betroffene enorm. Lange Gerichtsverfahren in ständiger Angst vor Abschiebung, monatelange Isolation in Erstaufnahmeeinrichtungen und Ankerzentren ohne Zugang zu Sprachkursen, Schule und Arbeitsmarkt zermürben die betroffenen Schutzsuchenden. Es besteht kein Anspruch auf Sozialleistungen. Im besten Fall wird am Ende gerichtlich ein sogenanntes Abschiebungsverbot festgestellt. Weitergehende Rechte, die den Betroffenen als international Schutzberechtigte zustehen, bleiben ihnen meist verwehrt.

Endlich ankommen: Flüchtlingsrechte für die Anerkannten aus Griechenland

Die Aufnahmeanordnung des Bundesinnenministeriums vom 9. Oktober 2020 [3]zur Aufnahme von 1.553 international Schutzberechtigten aus Griechenland zeigt, dass es rechtliche Spielräume gibt, Menschen mit Schutzstatus in Griechenland mit sicherem Aufenthaltsrecht und weitgehenden Rechten in Deutschland auszustatten. Die rechtlichen Spielräume müssen von deutschen Behörden auch für all jene vollumfänglich ausgeschöpft werden, die eigenständig von Griechenland nach Deutschland weiterfliehen.

Fallskizzen: Maryam J. und Feras B.

Wir dokumentieren zwei exemplarische Fallskizzen [4] von Geflüchteten mit internationalem Schutz in Griechenland, die angesichts der katastrophalen Bedingungen dort eigenständig weiter nach Deutschland geflohen sind. Maryam J. und Feras B. werden in ihren Verfahren über den Rechtshilfefonds von PRO ASYL unterstützt. Zwecks Kontaktaufnahme mit den Betroffenen sowie für Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Pressestelle von PRO ASYL.

Anlagen:

[1]
Kurdestan Darwesh and others v. Greece and and the Netherlands Application no. 52334/19
https://rsaegean.org/wp-content/uploads/2020/06/RSA_PROASYL_TPI_Darwesh-1.pdf

[2]
Information zur Situation international Schutzberechtigter in Griechenland
https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/PRO_ASYL_RSA_Information-zur-Situation-international-Schutzberechtigter-in-Griechenland.pdf

[3]
Anordnung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom 9. Oktober 2020 für die Humanitäre Aufnahme gemäß § 23 Absatz 2 Aufenthaltsgesetz zur Aufnahme von international Schutzberechtigten1 aus Griechenland
https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2020/anordnung-humanitaere-aufnahme.pdf?__blob=publicationFile&v=4

[4]
ANLAGE ZUR PRESSEERKLÄRUNG VOM 10.12.2020: »HUMANITÄT UND SOLIDARITÄT GEHT ANDERS: SCHLUSS MIT ABSCHIEBUNGEN ZURÜCK INS GRIECHISCHE ELEND«
https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2020-12-10-Fallskizzen-Maryam-J-und-Feras-B_Anerkannte-Griechenland.pdf

Quelle: Pressemitteilung www.proasyl.de