„Kinder des Friedens“ – Ein Film zur Geschichte und Gegenwart der Täuferbewegung in das Schweiz
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„Kinder des Friedens“ ist ein Dokumentarfilm, der bewegt, aufrüttelt und nachwirkt – ein Beitrag zur religiösen Zeitgeschichte ebenso wie ein Impuls für aktuelle ethische Debatten. Wer sich auf diesen Film einlässt, begegnet nicht nur einer bewegten Geschichte, sondern auch der Frage, wie sich Frieden heute leben lässt.
Am Donnerstag, den 29. Mai 2025, um 10 Uhr, zeigt das Schweizer Fernsehen SRF im Rahmen der Reihe „Sternstunde Religion“ den Dokumentation „Kinder des Friedens“ – eine beeindruckende Auseinandersetzung mit der Geschichte, der Gegenwart und den inneren Spannungen einer der ältesten friedenskirchlichen Bewegungen Europas.
Offen ist derzeit, ob der Film auch in Deutschland oder anderen Ländern empfangbar sein wird.
Produziert wurde der Film von der Schweizer Dokumentarfilmfirma Schwarzfalter in enger Zusammenarbeit mit Schweizer Radio und Fernsehen (SRF). Die Produktion erfolgte im Rahmen des Gedenkjahrs „500 Jahre Täuferbewegung“ und reiht sich ein in eine Reihe von medienübergreifenden Projekten, die historische Tiefenschärfe mit gesellschaftlicher Relevanz verbinden.
Die Regisseure Andreas Duerr und Jan-Marc Furer widmen sich darin der 500-jährigen Geschichte der Täuferbewegung, die 1525 in Zürich ihren Ausgang nahm. Aus Anlass dieses 500. Jahrestags (Gedenkens) verfolgt der Film eine doppelte Spur: Er blickt zurück auf eine leidvolle Vergangenheit von Verfolgung und Vertreibung – und zugleich nach vorn auf eine Glaubensgemeinschaft, die sich in einer zunehmend konflikthaften Welt erneut mit ihren Grundwerten konfrontiert sieht.
Im Zentrum des Films steht Jürgen Gerber, der in einer mennonitischen Familie in Mont-Tramelan im Berner Jura aufwuchs. Zwar gehört er der Glaubensgemeinschaft nicht an, doch die Werte, Fragen und Widersprüche der Täuferbewegung prägen sein Leben bis heute. Der Tod seines Vaters wird zum Auslöser einer persönlichen Spurensuche, die weit über das Private hinausreicht: Wie lebt man mit einem Erbe, das von Gewissensentscheidungen, Unterdrückung und dem Ideal Jesu Gewaltfreiheit geprägt ist?
Gerbers Familiengeschichte eröffnet den Blick auf eine jahrhundertealte Bewegung, deren Angehörige für ihren Glauben Verfolgung und Vertreibung in Kauf nahmen – und dennoch an ihren pazifistischen Überzeugungen festhielten. Die Reise führt durch persönliche Erinnerungen ebenso wie durch die globale Gegenwart der Mennonit:innen, deren Gemeinden heute vor allem in Nord- und Südamerika, Afrika und Asien bestehen. In der Schweiz leben sie schwerpunktmässig im Berner Jura – eine kleine, aber traditionsreiche Gemeinschaft.
Zwischen allen Fronten
In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde der Berner Jura zum Schauplatz eines tiefgreifenden gesellschaftlichen Konflikts: Der sogenannte Jurakonflikt entzündete sich an kulturellen und sprachlichen Spannungen zwischen französischsprachigen Katholik:innen und deutschsprachigen Protestant:innen. Die Gründung des Kantons Jura 1979 war das Ergebnis jahrzehntelanger Auseinandersetzungen um Identität, Autonomie und Zugehörigkeit. Mitten in diesem Spannungsfeld befanden sich auch die lokalen Mennonitengemeinschaften – sprachlich wie konfessionell eigenständig, wurden sie mit Fragen der politischen Loyalität und des zivilen Widerstands konfrontiert, die eng an ihre historische Erfahrung als Minderheit anknüpften.
„Kinder des Friedens“ ist kein nostalgischer Rückblick, sondern ein feinsinniges, manchmal auch schmerzhaft aktuelles Porträt über Glauben, Gewissen und das Ringen um eine Haltung in einer Zeit, in der Kriege und gesellschaftliche Polarisierungen erneut Fragen nach Mut, Verantwortung und Mitgefühl aufwerfen.
Die Uraufführung fand am 20. Mai 2025 im Kino Rex in Biel statt. Beim anschliessenden Podiumsgespräch diskutierten unter anderem Christoph Neuhaus (Regierungsrat Kanton Bern), Lukas Amstutz (Co-Präsident der Konferenz der Mennoniten der Schweiz), Hansuli Gerber (Täuferisches Forum für Frieden, Gerechtigkeit und Schöpfung) und Judith Pörksen Roder (Synodalratspräsidentin der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn). Die Moderation übernahm Oliver Dürr, Direktor des Zentrums Glaube & Gesellschaft an der Universität Fribourg. Veranstaltet wurde der Anlass von den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn in Kooperation mit der Konferenz der Mennoniten der Schweiz, der Evangelischen Allianz Biel und Umgebung sowie dem Zentrum Glaube & Gesellschaft an der Universität Fribourg.
Begleitbuch und Ausstellung – Einblicke vertiefen
Begleitend zum Film ist ein umfangreiches Buch erschienen, das sich rasch als eigenständiges Standardwerk zur Geschichte der Täuferbewegung in der Schweiz etabliert hat. Es liefert weit mehr als eine einfache Ergänzung zum Film: Vielmehr verbindet es historische Tiefenschärfe mit ästhetischer Sorgfalt. Zahlreiche Faksimiles, Briefe, Dokumente, alte Bibelausgaben und Abbildungen zentraler Quellentexte ermöglichen nicht nur einen fundierten Überblick, sondern eröffnen auch emotionale Zugänge zur geistigen Welt der frühen Täufer. Für Interessierte wie für Fachleute stellt das Buch einen wertvollen Beitrag zur Reformationsgeschichte dar.
🔗 Zum Buch „Kinder des Friedens“
Das Buch dient zudem als Begleitpublikation zur Ausstellung „Verfolgt – Vertrieben – Vergessen“, die im Rahmen von 500 Jahre Täufertum im Kanton Zürich realisiert wurde. Die Ausstellung ist noch bis zum 14. Juni 2025 in der Zentralbibliothek Zürich (Zähringerplatz 6) zu sehen und dokumentiert die Spuren täuferischer Präsenz und Verfolgung in der Zürcher Region.
Eine thematisch ergänzende Schau findet sich unter dem Titel „Hie syg’s nid verbote – Töifer z’Sy“ (Hier ist es nicht vernoten Täufer:in zu sein) derzeit in zwei Städten: in Zürich (Müllerhaus, bis 31. Oktober 2025) und in Bern (Münstergasse 63, bis 27. September 2025). Die Ausstellung vereint historische Objekte, multimediale Installationen und biografische Porträts und vermittelt ein lebendiges Bild einer Bewegung, die von Anfang an zwischen zivilem Widerstand, Verfolgung und spiritueller Standhaftigkeit oszillierte.