Amische Stalter-Familien nach 1800 in Bayern, Familienforschungswerkstatt mit Vortrag und Austausch
Erstellt am:
Mennonitischer Geschichtsverein
Amische Familien namens Stalter nach 1800 in Bayern
Familienforschung–Werkstatt des Mennonitischen Geschichtsvereins
Der Termin ist am Montag, den 03.03.2025, 19.30 Uhr, online.
Referent: Herbert Holly
Vor etwa 217 Jahren ließen sich Amische in Gern nahe München nieder. Im Jahre 1803 bestand Gern aus lediglich fünf Anwesen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wandelte sich die einstige Bauernsiedlung allmählich zum Dorf und schließlich zu einer Villenvorstadt Münchens. Im Jahre 1899 wurde die Landgemeinde Nymphenburg mit Gern in die Stadt München eingegliedert.
Die amische Familie Stalter war weit mehr als einfache Landpächter – sie pflegte enge Beziehungen zum bayerischen Hochadel.
Kaum eine andere amische Familie im Herzogtum Zweibrücken stand in so engem Kontakt mit den Wittelsbachern wie die Familie Stalter. Durch die Pacht eines herzoglichen Gutes wuchsen die Kinder der Familie Stalter gemeinsam mit Prinz Max Joseph auf, der später Kurfürst und König von Bayern wurde.
Mit der Säkularisation in Bayern im Jahre 1803 wurden viele Klostergüter zum Verkauf oder zur Pacht freigegeben. Ein Aufruf in der Pfalz und im Elsaß lockte die ersten amischen Familien nach Bayern, darunter die Stalters. Sie bewirtschafteten zunächst Güter in der Gegend um Neuburg und Ingolstadt. Max IV. Joseph, der damalige Kurfürst von Bayern, bot Heinrich Stalter den „Dießener Hof“ in Gern an. Doch Stalter entschied sich für größere Anwesen wie den Bergstätterhof und den Neuhof bei Kaisheim.
Die enge Verbindung zum späteren König Max I. Joseph verdankte Heinrich Stalter dem Älteren einer besonderen Begebenheit: Als französische Truppen im Jahre 1794 das Karlsberger Schloß bei Zweibrücken stürmten, verhalf er Herzog Karl August, dem älteren Bruder von Max Joseph, zur Flucht. Stalter gewährte ihm Unterschlupf und half ihm über den Rhein. Diese Rettung vergaß Max Joseph nie.
Ein Dokument belegt, daß bereits im Jahre 1808 ein Stalter in Gern als Pächter tätig war. Dies geht aus einem Auswanderungsantrag von 1836 hervor, in dem Christian Jotter angibt, im Jahre 1808 in Gern Katharina Augsburger, geborene Stalter, geheiratet zu haben. Beide arbeiteten auf dem Gut von Jakob Stalter, bevor sie als Pächter nach Weilbach bei Dachau zogen. Jakob Stalter kehrte später in die Pfalz zurück, wo er im Jahre 1819 verstarb.
Im Jahre 1826 versuchte Königinwitwe Karoline, drei landwirtschaftliche Anwesen in Gern zu verkaufen. Doch erst im Jahre 1830 konnten Heinrich, Joseph und Jakob Stalter die Höfe aus der königlichen Zivilliste erwerben. Dazu gehörten der „Oswaldhof“ mit 283 Tagwerk Land, der „Kandlerhof“ mit 219 Tagwerk und der „Holzbauernhof“ mit 155 Tagwerk. Der Kauf umfaßte Maschinen, Viehbestand und Ernte.
Im Jahre 1835 mußte Heinrich Stalter dem Münchner Landgericht eine Stellungnahme zur mennonitischen Gemeinde abgeben. Er erklärte, daß es innerhalb der Gemeinschaft zwei Gruppen gab: die gemäßigten „Knöpfler“ (Mennoniten), die Kleidung mit Knöpfen trugen, und die strengeren „Häftler“ (Amischen), die nur Haken und Ösen verwendeten. Stalter berichtete, daß die erste amische Gemeinde in München Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet wurde, und beschrieb deren Gottesdienste sowie religiöse Bräuche.
In den 1840er Jahren wuchs der Drang zur Auswanderung unter den Amischen. Briefe aus Kanada und den USA berichteten von besseren Lebensbedingungen und größerer Freiheit. In einem Brief aus dem Jahre 1826 schrieb der amische Daniel Unzicker aus Oberkanada an seine Mutter: Die Ernte ist doppelt so groß wie daheim, und die Preise sind gut. Ich habe viele Ahornzuckerbäume, die reiche Ernten bringen. Das gerodete Holz und andere Pflanzenreste zersetzen sich schnell, so daß das Land rasch für die Aussaat bereit ist. Liebe Mutter, kommt bald, hier gibt es genug Platz und ein gutes Leben.
Auch Heinrich Stalter dachte an Auswanderung. Seine Frau war dagegen, obwohl bereits drei Kinder in die USA übergesiedelt waren. Nach ihrem Tod traf er schließlich die Entscheidung. Im Jahre 1840 schickten seine Kinder aus New Orleans eine Vollmacht für den Verkauf des Hofes und sicherten ihm ein lebenslanges Auskommen zu. Dies bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Er beantragte im Jahre 1841 die Auswanderung, die bewilligt wurde. Seinen Holzbauernhof in Gern verkaufte er an Willibald Brodmann in München.
Joseph Stalter veräußerte seinen Oswaldhof an Baron von Welden, entschied sich aber gegen die Emigration und kaufte statt dessen das „Zieglergut“ in Neufahrn bei Wolfratshausen. Jakob Stalter übergab seinen Kandlerhof im Jahre 1833 an seinen Schwiegersohn Valentin Bircki, der den Hof später in zwei Etappen verkaufte. Im Jahre 1849 wanderte er mit anderen Amischen in die USA aus.
Damit endete die Geschichte der Amischen in Gern.
Wie ging es mit den Stalters in Kaisheim und den anderen Orten, wo sie sich in Bayern ansiedelten …?
Die Familienforschungswerkstatt widmet sich am 3. März der spannenden Geschichte der amischen Familien Stalter in Bayern. Im Mittelpunkt stehen neue Erkenntnisse aus archivalischen Quellen sowie detaillierte Einblicke in das Leben dieser Familien. Nach dem Vortrag besteht Raum für eine gemeinsame Diskussion, Fragen und Ergänzungen. Alle, die sich für dieses Thema interessieren – ob Wissenschaftler:in oder Geschichtsbegeisterte:r –, sind herzlich eingeladen, an diesem Austausch teilzunehmen.
Weiteres zu der Vortragsreihe und den Zugangsdaten, hier ...
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