Friedenspreis 2025 an Comet-ME überreicht
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Michael‑Sattler‑Friedenspreis 2025
Elektrizität und Wasser für palästinensische Familien
Am 21. Mai 2025 öffnete die Evangelische Kirchengemeinde Rottenburg am Neckar ihre Kirche für die feierliche Verleihung des Internationalen Michael-Sattler-Friedenspreises durch das Deutsche Mennonitische Friedenskomitee.
Ausgezeichnet wurde die israelisch-palästinensische Nichtregierungsorganisation Comet-ME. Deren Leiterin Asmahan Simry nahm als Zeichen der Ehrung ein Kugelstoßpendel entgegen.
Seit dem Jahr 2009 versorgt Comet-ME netzunabhängige Gemeinden in Area C im Westjordanland mit Solar- und Windstrom, sauberem Wasser und gemeinschaftlichem WLAN. Da fast alle palästinensischen Anträge auf Anschluss an das öffentliche Strom- und Wassernetz im Rahmen der völkerrechtswidrigen Besatzung durch die Besatzungsmacht abgelehnt werden, sind die Photovoltaikanlagen von Comet-ME oft die einzige verlässliche Energiequelle. Damit können Kühlanlagen und kleine Molkereimaschinen betrieben werden. Davon profitieren vor allem die Frauen, die nun Milch- und Käseprodukte rationeller herstellen können, da die zeitaufwändige Handarbeit entfällt. Elektrischer Strom bedeutet aber auch Licht zum Lernen am Abend, Ladestrom für Telefone, Internetzugang und mehr Sicherheit. Darüber hinaus verbindet sich der Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit mit ökologischer Nachhaltigkeit: Israeli:nnen und Palästinenser:innen planen, installieren und warten die Anlagen gemeinsam – eine konkrete Schule des Dialogs.
Solche lokalen Gemeinschaftsinitiativen zur Sicherung elementarer Lebensgrundlagen sind weit mehr als technische Projekte: Sie schaffen Schutzräume, in denen rechtliche, soziale und ökologische Grundgüter gemeinsam gesichert werden. Wer Leitungen zwischen Häusern verlegt, verbindet zugleich Biografien und übernimmt Verantwortung füreinander. Auszeichnungen wie der Michael-Sattler-Friedenspreis verleihen dieser beharrlichen Arbeit Sichtbarkeit, stärken ihren Anspruch auf völkerrechtlichen Schutz und erinnern Regierungen daran, dass Menschenwürde nicht verhandelbar ist.
Preisverleihung in Rottenburg am Neckar mit vorherigem Gang zur Hinrichtungsstätte.
Am Nachmittag zog eine Gruppe der Teilnehmenden schweigend durch strömenden Regen zur Hinrichtungsstätte von Michael Sattler. Das Trommeln der Tropfen verlieh dem Gedenken an den gewaltfreien Widerstand eine eindrückliche Dichte.
An der Preisverleihung abends hielten mehrere Redner:innen kurze Beiträge, bevor Autorin Debora Feldman die Hauptrede - die eigentliche Preisrede - hielt. Sie nahm die Anwesenden mit auf ihre ganz persönliche Reise von der Kindheit bis zu einem Besuch im Westjordanland in diesem Jahr und begegnete dabei der inneren Zerrissenheit vieler Menschen zwischen Wegsehen und Gewissen. Feldman ermutigte dazu, das Verdrängte nicht länger zu verbergen, denn dies befreie auch das eigene Gewissen, denn Verdrängung sei ein ständiger Kampf, der niemanden zur Ruhe kommen lasse. Und bedankte sich bei Menschen wie die von Comet_ME „ ... Denn sie kämpfen damit gegen das nicht-nichtwissenwollende Wissen und erlösen uns dadurch von seinem Plan.“
Anschließend überreichte Johanna Landes vom Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee den Friedenspreis an Asmahan Simry.
Die Preisverleihung wurde auch per Videokonferenz übertragen, was eine weltweite Teilnahme ermöglichte. Während das Geschehen im Saal stimmig und gut organisiert war, empfanden viele der zugeschalteten Zuschauenden das digitale Format als restriktiv: Zwar wurden Bild und Ton übertragen, doch darüber hinaus blieb alles ausgeblendet – Hinweise auf Pausen oder Geschehnisse außerhalb des Kamerasichtfelds fehlten. Für das Onlinepublikum wirkte der Abend dadurch mitunter nachlässig moderiert.
Im Herbst ist ist eine deutschlandweite Rundreise vorgesehen, die Gelegenheiten bietet, Vertreterinnen von COMET-ME persönlich kennenzulernen und mehr über die Arbeit von COMET-ME zu erfahren. Besonders für Hochschulen, Bildungsstätten oder Organisationen mit Fokus auf Friedensarbeit, Nachhaltigkeit und internationale Zusammenarbeit bietet sich hier die Gelegenheit, Comet-ME für Vorträge oder Gespräche einzuladen.
Der Friedenspreis:
Der Internationale Michael-Sattler-Friedenspreis wird an Einzelpersonen, Gruppen, Kirchen und Gemeinschaften verliehen, die sich in besonderer Weise für eine Kultur des Friedens und der Gerechtigkeit starkmachen – sei es im persönlichen Lebenszeugnis, in wissenschaftlicher Arbeit oder durch praktische Initiativen. Gewürdigt wird ein gewaltfreies Christuszeugnis, das nicht an die Zugehörigkeit an eine christlichen Konfession gebunden ist. Das entschlossene Eintreten für Versöhnung zwischen verfeindeten Menschen, Gruppen oder Völkern, das beharrliche Suchen nach einem ehrlichen Dialog zwischen Religionen und Weltanschauungen sowie das glaubwürdige Bemühen um eine verbindliche und solidarische Gemeinschaft in der Nachfolge Jesu sind ebenso Ausdruck dieses Engagements, das der Preis sichtbar machen und stärken möchte.
Namensgeber des Preises:
Der Täufer Michael Sattler, 1527 in Rottenburg hingerichtet, erklärte vor Gericht, Christ:innen dürften selbst einem anrückenden osmanischen Heer keine Waffen entgegenhalten. Damals rückte das Osmanische Reich Richtung Mitteleuropa vor; weltliche wie kirchliche Herrschende schürten große Angst vor den „Türken“. Sattler betonte, er ziehe es vor, an ihrer Seite zu gehen, als das Gebot „Du sollst nicht töten“ zu brechen. Seine Frau Margarete wurde wenige Tage nach seiner Hinrichtung im Neckar ertränkt. Ihr gemeinsames, kompromißloses Ja zur Gewaltfreiheit prägt den Friedenspreis.
Michael Sattler: Benediktinermönch, radikaler Reformer, „Staatsfeind“ und „Erzketzer“. Um 1490 im Breisgau geboren, trat er in das Benediktinerkloster St. Peter ein und stieg dort bis zum Prior auf. Als das Kloster im Frühjahr 1525 von aufständischen Bauern belagert wird, nimmt Sattler Verhandlungen mit diesen auf und schließt sich ihnen vermutlich nach deren Abzug an. Über diesen Umweg findet er Zugang zur Täuferbewegung im Zürcher Unterland. Bald wurde er zu einer der prägenden Figuren innerhalb der süddeutsch-schweizerischen Täufergemeinden.
Kein Vergleich zu damals: Die Russische Föderation verfolgt keine offensiven Absichten gegenüber Mitteleuropa. Dennoch bauen westliche Regierungen ihre militärischen Kapazitäten massiv aus – begleitet von lauten Rufen nach „Kriegstauglichkeit“ und gesellschaftlicher Mobilisierung. Dieses rhetorische und tatsächliche Säbelrasseln drängt Moskau in eine reaktive Position. Die daraus entstehende Konfrontationslogik birgt die reale Gefahr einer Eskalation, die niemand gewinnen kann, und sollte schleunigst durch eine Politik der Deeskalation ersetzt werden – besser gestern als heute. Sich dem Haß verweigern!
Das bei einer der Reden des Abends zitierte Bonhoeffer‑Wort
Wer von uns darf denn sagen, daß er wüßte, was es für die Welt bedeuten könnte, wenn ein Volk – statt mit der Waffe in der Hand – betend und wehrlos und darum gerade bewaffnet mit der allein guten Wehr und Waffe den Angreifer empfinge?
— Dietrich Bonhoeffer, Jugendkonferenz Fanø, 28. August 1934
verbindet Sattlers Vermächtnis mit Gegenwart und Zukunft: Gewaltfreie Entschlossenheit bleibt einzig reale Option, um den Kreislauf der Gewalt dauerhaft zu unterbrechen.
Klammer, Markus
Michael-Sattler-Friedenspreis 2025 an die israelisch-palästinensische Organisation Comet-Middle East (CME). Laudatio. Aachener und Dresden im Buchhandel